Schutz für das Erbe der griechischen Kultur
Weltwirtschaftskrise: Die Achilles-Verse unseres kulturellen Erbes
In einer Zeit rasanten sozialen Wandels und radikaler Veränderung der Umwelt ermöglicht unser kulturelles Erbe, die Herausforderungen einer - durch die Globalisierung immer stärker verwandelten - Welt anzunehmen; wir sind uns der Bedeutung der Kultur für die Entwicklung der Menschheitsgeschichte bewusst und begreifen sie als Quelle des Wissens, als bewegende Kraft für die wirtschaftliche Entwicklung, als Symbol gesellschaftlicher Stabilität und kollektiver Sinnstiftung.
Die Schuldenkrise von Griechenland und anderer europäischer Staaten wurde durch den Einbruch der Weltwirtschaft im Jahre 2008 ausgelöst. Das vom Internationalen Währungsfonds (IWF), von der Europäischen Zentralbank (EZB) und der EU-Kommission mit der griechischen Regierung im Mai 2010 ausgehandelte und im sog. «Μνημόνιο» (Memorandum) festgelegte Sanierungsprogramm sieht die Durchsetzung strengster Sparmaßnahmen vor.
Die damit für Griechenland verbundenen wirtschaftlichen Erschütterungen haben katastrophale Konsequenzen für das reiche kulturelle Erbe des Landes gezeitigt. So wurde der Etat des Kultusministeriums in den letzten 3 Jahren um 50 % gekürzt. Griechenland besitzt aber 210 archäologische Museen, 250 archäologische Ausgrabungsstätten und 19.000 unter Schutz gestellte Denkmäler und denkmalgeschützte Orte.
Infolge der Sparmaßnahmen wurde eine große Zahl von Angestellten, die in diesem Bereich tätig waren, aus dem Dienst entlassen. Staatliche Stellen sind inzwischen außer Stande, irgendwelche Programme zum Schutz, zur Erhaltung und zur Erhebung geschützter Denkmäler und archäologischer Stätten umzusetzen. Nicht nur zahlreiche Forschungsarbeiten, auch ganze Ausgrabungsstätten mussten aufgegeben werden, Museen wurden entweder ganz geschlossen oder sie arbeiten nur noch streckenweise, weil kein Wachpersonal mehr zur Verfügung steht. Raubgrabungen, Diebstähle archäologischer Funde und Praktiken der illegalen Verschiebung kulturellen Erbes auf den schwarzen Kunstmarkt haben in den letzten 3 Jahren um 25% zugenommen.
Das Memorandum («Μνημόνιο») ordnet die Privatisierung öffentlichen Vermögens an sowie von staatlichen Institutionen und Einrichtungen. Dabei ist nach der griechischen Verfassung ebenso wie nach dem Gesetz über die archäologischen Altertümer das gesamte bewegliche und unbewegliche Erbe des Landes anzusehen als unveräußerlicher Besitz aller Griechen. Die Privatisierung und Kommerzialisierung nationalen Eigentums hat dramatische Konsequenzen für das kulturelle Erbe des Landes, denn sie schwächen dessen Schutz und Erhalt wegen des Fehlens der erforderlichen Investitionen.
Als Organ der Vereinten Nationen hat die UNESCO vor dem Hintergrund historischer Erfahrungen die Aufgabe, in den kommenden Jahrzehnten kulturelle Entwicklungen zu fördern - als treibende Kraft des Friedens und der immerwährenden Entfaltung des Menschheitsfortschritts im Sinne der Zielsetzungen der Vereinten Nationen.
Die Übereinkommen der UNESCO zum Schutze des kulturellen Welterbes stellen eine einzigartige Grundlage für internationale Kooperation dar und beinhalten einen geschlossenen Verhaltenskanon auf der Grundlage der Achtung der Menschenrechte und allgemein anerkannter Werte. Die internationalen Übereinkommen der UNESCO haben das Ziel, das Welterbe der Kultur und der Natur zu schützen, ebenso wie immaterielles Erbe und museale Sammlungen; dabei verfolgen sie auch das Ziel, Schöpfergeist und Innovationen zu fördern und zu schützen. Jeder Staat der Völkerfamilie hat damit die Verpflichtung übernommen, alle geeigneten rechtlichen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind für den Schutz, den Erhalt und die Beförderung seines kulturellen Erbes.
Die Politik rücksichtsloser Sparmaßnahmen und Einschnitte im Kulturetat, die die Lage in Griechenland und anderen Ländern prägt, ist mit den einschlägigen Übereinkommen der UNESCO unvereinbar. Im Übereinkommen zum Schutz und zur Förderung der Vielgestaltigkeit kultureller Ausdrucksformen aus dem Jahr 2005 sind beispielsweise nach Artikel 6.2 für die Kulturpolitik Maßnahmen der öffentlichen Hand vorgesehen, die für die Gründung und den Unterhalt öffentlicher Kultureinrichtungen wirtschaftliche Hilfen anordnen. Die Umsetzung solcher Ziele der Übereinkommen ist aber unmöglich, wenn nicht zugleich auch die dazugehörigen wirtschaftlichen Maßnahmen der öffentlichen Hand erfolgen.
Die gegenwärtige Fortdauer der Wirtschaftskrise kann dabei nicht zur Rechtfertigung von Kürzungen im Bereich des kulturellen Erbes herangezogen werden. Ein vielgestaltiges und schöpferisches Kulturleben ist durchaus in der Lage, auch greifbare Beiträge zur Bewältigung der gegenwärtigen Schwierigkeiten zu leisten, denen sich Regierungen, Bürgergesellschaft und Wirtschaftskräfte gegenüber sehen.
Schutz, Erhaltung und Darstellung des kulturellen Erbes ist genau das, was die Weltgemeinschaft interessiert, und sie ist insofern auch ein ethisches Gebot für alle Menschen.